Warum Ubiquitous Computing heute nicht mehr das Smartphone meint – und warum Schulen jetzt mit Kinder-Smartwatches kämpfen
«The most profound technologies are those that disappear. They weave themselves into the fabric of everyday life until they are indistinguishable from it.» Mark Weiser, 1991
Als Mark Weiser vor über drei Jahrzehnten das Konzept des Ubiquitous Computing (Ubicomp) prägte, war das Smartphone noch eine Utopie. Heute ist es Realität – doch nicht so, wie viele es erwarteten. Das Smartphone, einst der Inbegriff der allgegenwärtigen Technologie, hat seinen Zenit überschritten. «Peak Smartphone» ist erreicht. Das betrifft nicht nur die ultra langweiligen Slab Phones, also die klassischen Smartphones. Es betrifft auch die Foldables.
Die wahren Innovationen finden heute woanders statt: in Tabs, nicht in Pads-Phones-Slabs!
Und während ich immer noch mit meinem Klapphandy und meiner Garmin Fenix experimentiere während sich andere im Apple-Gefängnis langweilen, zeigt sich, dass die eigentliche Revolution nicht in den Geräten liegt, sondern in den Services, Abos und unsichtbaren Infrastrukturen, die unser Leben prägen – und vor neue Herausforderungen stellen. Schulen wissen schon jetzt davon ein Lied zu singen, denn Kinder-Smartwatches sind nur so spannend dank den Services und Abos dahinter.
Ubiquitous Computing ist kein Zukunftsszenario mehr – es ist Alltag
Weisers Vision des «Calm Technology» ist längst Wirklichkeit. Doch während wir uns jahrzehntelang auf das Smartphone als zentrales Interface konzentrierten, hat sich die Technologie still und leise in Nischen verlagert. Das Smartphone bleibt wichtig – aber es ist nicht mehr der Ort der Innovation.
- Pads (Smartphones, Tablets, Foldables) sind Mainstream geworden. Sie sind allgegenwärtig, aber langweilig. Die letzten «grossen» Neuerungen (Faltdisplays, bessere Kameras) sind inkrementell, nicht disruptiv.
- Boards (Whiteboards, Beamer, grosse Displays) hinken in vielen Schulen und Büros technisch hinterher – obwohl sie seit Jahren als «Zukunft der Kollaboration» gepriesen werden.
- Tabs (Kleinste, spezialisierte Geräte mit eigenem Ökosystem) sind die neue Frontier. Sie sind unscheinbar, aber mächtig – und sie verändern, wie wir mit Technologie interagieren.
Warum mein Klapphandy ein Statement ist – und meine Garmin-Uhr ein Tab
Mein Klapphandy ist keine Spielere, sondern eine bewusste Entscheidung. Es zwingt mich, aufgeklappt fokussiert zu arbeiten und zu kommunizieren, zugeklappt ermöglicht es, oberflächlich Kleinigkeiten zu erledigen. Das Smartphone bleibt wichtig, ganz klar. Das zeigt mir, wie sehr wir uns an die Omnipräsenz von Pads, Slabs und Faltbares gewöhnt haben.
Die wahren «Heroes» in meinem Leben sind Tabs – nicht Foldables und schon gar nicht die Slab Phones, diese klassischen Smartphones!
- Eine Garmin Uhr: Kein totaler Smartphone-Ersatz, aber inzwischen ganz klar mein First Screen. Smartphone ist Second Screen und Gateway für Zeugs, das auf dieser Sport- und Smartwatch zur Geltung kommt. Zudem ist dieses Tab ein spezialisiertes Werkzeug für mein Mental- und Gesundheits-Screening sowie Tracker und Retter bei Outdoor-Aktivitäten.
- Garmin InReach Mini: Ein 100-Gramm-Gerät, das weltweit SOS-Signale sendet – selbst wenn das Handy längst keinen Akku mehr hat. Hier wird Ubiquitous Computing lebensrettend.
- Garmin Edge 1050: Mein Velocomputer, der nicht nur Routen trackt, sondern mit anderen Geräten interagiert (z. B. mit der Fenix Uhr) – ein Ökosystem, das unsichtbar funktioniert.
Diese Geräte sind keine Smartphones. Sie sind Tabs: Klein, spezialisiert, aber inzwischen auch total vernetzt. Sie erfüllen konkrete Bedürfnisse – ohne den Ballast eines «All-in-One»-Geräts.
Die Crux mit den Abos: Warum Services die neuen Geräte sind
Doch Tabs allein reichen nicht. Erst Services und Abos machen sie mächtig – und kompliziert. InReach-Abo (9 CHF/Monat): Ermöglicht Tracking und SOS – aber wer zahlt? Wer ist verantwortlich, wenn das Gerät weitergegeben wird? Garmin Respond vs. klassisches InReach-SOS: Zwei Systeme, die verschiedene Satellitennetze nutzen – und plötzlich technische und rechtliche Fragen aufwerfen (Darf ich das Gerät meiner Partnerin geben?). Kosten-Nutzen-Frage: Ist ein Notfall-Abo «zu teuer» – oder ist es Versicherung und Freiheit zugleich?
Hier zeigt sich: Ubiquitous Computing ist nicht mehr nur eine Frage der Geräte, sondern der Infrastrukturen. Und diese Infrastrukturen kosten Geld, werfen ethische Fragen auf und erfordern Regeln.
Schulen und die neue Tab-Herausforderung: Kinder-Smartwatches
Während wir uns jahrzehntelang über Smartphones in Schulen gestritten haben, ist das Problem längst weitergezogen. Die wahre Herausforderung heute? Kinder-Smartwatches.
Pads (Smartphones) sind in vielen Schulen bereits geregelt (Handyverbote, Ablenkungsmanagement). Boards (Beamer, Whiteboards) sind veraltet, aber noch allgegenwärtig – weil niemand sie ersetzt. Tabs (Smartwatches, Fitness-Tracker, Notfallgeräte) sind die neue Baustelle: Können Lehrerinnen und Lehrer verbieten, dass Schülerinnen und Schüler mit Smartwatches (die Nachrichten empfangen) im Unterricht sitzen? Dürfen Schulen Tracker-Daten (z. B. von Garmin-Uhren im Sportunterricht) nutzen? Wer haftet, wenn ein Kind mit einer Notfall-Smartwatch auf einer Schulerreise einen Fehlalarm auslöst?
Die Debatte hat sich verschoben – und viele Schulen sind unvorbereitet. Denn während wir uns auf Smartphone-Regeln konzentrierten, haben Tabs die Klassenzimmer erobert.
Warum wir alle gerade erst am Anfang sind
Die Ironie der Geschichte? Wir dachten, Ubiquitous Computing würde das Smartphone zum Zentrum machen. Doch heute zeigt sich: Das Smartphone war nur ein Zwischenstadium. Die wahre Allgegenwart findet in Miniaturgeräten und Services statt – und sie stellt uns vor völlig neue Fragen:
Wer kontrolliert die Daten meiner Garmin-Uhr? Garmin? Ich? Meine Versicherung? Darf ich einen Notfall-Tracker, das auf meinen Namen läuft, meiner Partnerin ausleihen? Wie regulieren wir Tabs in Schulen, wenn sie noch kleiner, noch unsichtbarer werden?
Es gibt kein einfaches Rezept. Wir sind alle am Lernen – ob als Medienpädagoginnen und -pädagogen, als Eltern oder als Nutzerinnen und Nutzer. Die einzige Lösung? Ausprobieren. Regeln testen. Scheitern. Anpassen.
Ubiquitous Computing ist kein Zustand, sondern ein Prozess
Mark Weiser hatte recht: Die tiefgreifendsten Technologien verschwinden. Doch sie verschwinden nicht einfach – sie verlagern sich. Vom Smartphone zu Tabs, von Geräten zu Services, von sichtbaren Bildschirmen zu unsichtbaren Infrastrukturen.
Und während meine Fenix 8 immer mein Handgelenk ziert, ich damit auf dem Sihlsee hin und her Foile, auf Hügel und Berge spaziere und auch damit schlafe während mein Klapphandy irgendwo ausruht, wird mir klar: Die Zukunft gehört nicht den Pads. Sie gehört den Tabs. Und die wahre Herausforderung ist nicht, sie zu bedienen – sondern auch hier Regeln für das Zusammenleben unter uns Menschen zu finden.
Was denkt ihr?
- Habt ihr schon Erfahrungen mit Tabs (Smartwatches, Notfallgeräte, andere Spezial-Computer) gemacht?
- Wie regelt ihr Abos und Verantwortung bei geteilten Geräten?
- Und: Wie geht eure Schule mit Kinder-Smartwatches um?
Wir sind alle noch am Lernen.
Literatur & Links:
Weiser, Mark (1991): «The Computer for the 21st Century». PDF
Friedemann Mattern Institut für Pervasive Computing, ETH Zürich (2003): «Ubiquitous Computing – Die Vision von der Informatisierung der Welt». PDF
Wenn Kinderuhren die Umgebung heimlich belauschen: Beitrag vom Schweizer Fernsehen SRF