Auf LinkedIn, dem «professionellen» sozialen Netzwerk, hat sich in den letzten Jahren ein seltsames Phänomen breitgemacht – die gegenseitige Lobhudelei via Kommentar-Funktion. Klar, LinkedIn ist dafür da, Respekt und Anerkennung zu verteilen. Dafür reichen Reactions 👏 bei den Beiträgen oder Kompetenzbestätigungen für ein Profil.
Die Lobhudelei via Kommentare auf Linkedin erinnert an die Zeiten von Facebook, als Ferienfotos und Bilder von Essen das soziale Netzwerk dominierten. Doch während wir über diese Vergangenheit schmunzeln können, wirft die LinkedIn-Lobhudelei via Kommentare einige Fragen auf.
Die guten alten Facebook-Tage
Es war ungefähr 2005, als Facebook noch frisch und seine Nutzer:innen noch jung waren. Damals regten sich einige ganz seriöse und strenge Menschen über Ferienfotos auf, die in ihren Feeds auftauchten. Es handelte sich dabei vor allem um Personen, die wegen diesem doofen Internet sowieso schon unter Druck waren, da es die klassischen Geschäftsmodelle der klassischen Medien – und aller übrigen Branchen tutti-quanti – völlig durcheinander wirbelte.
Es war und ist dreifach albern, sich über das Verhalten von anderen Personen auf Social Media zu ärgern.
Erstens ist es merkwürdig, sich über das Teilen von Lebensfreude zu nerven.
Zweitens zeugt es von Neid.
Auf Social Media haben drittens die User die Möglichkeit, stark zu steuern was in ihren Timelines erscheint. «Musst halt die Person entfolgen! So simple as that…»
Die rätselhafte Welt der LinkedIn-Lobhudelei
Facebook ist heute das Netzwerk der Silver Surfers, und LinkedIn ist der «heisse Scheiss» für Ü30 vergleichbar mit TikTok für U20…
Als ehemaliger ONLINE-Redaktor bei der Neuen Zürcher Zeitung kann ich mich gut an die Epoche erinnern, als Facebook noch ganz jung war. Das Wort Cyberspace verlor an Bedeutung und Internet-Expert:innen versuchten Digital-Irgendwas die Menschen zu beruhigen. Heute nun, fünfzehn Jahre später scheinen dieselben Personen, die einst über Ferienfotos stöhnten auf LinkedIn gesprächig unterwegs zu sein. Aber nur für grosses Lob. Will man eine Diskussion entfachen, kommt meistens nichts…
Anstatt einfach den «Gefällt mir»-Button zu klicken oder zu klatschem, hinterlassen heute sowohl ehemalige Kritiker:innen des Internet als auch grosse Fans des Cyberspace Kommentare in diesem Stil: «Das Feuer des Journalismus brennt sicher weiter in dir. Gratuliere dir zu diesem mutigen Entscheid. Papiii-papoooo.»
Es ist fast so, als ob sie eine Art Lobhudelei-Wettbewerb veranstalten würden.
Freizeit ist mindestens so schön wie Arbeit und Sprachmodelle machen Arbeit lustig
Was können wir aus dieser Kuriosität lernen?
Erstens sollten wir uns nicht über die Freude anderer Menschen ärgern, sei es auf Facebook, LinkedIn oder sonst wo. Note to myself: Ich sollte die LinkedIn-Lobhudelei einfach ignorieren. Aber dank LLMs ist das Erstellen von Blogbeiträgen so schnell erledigt… Zudem macht es Spass in diesen neuen EDV-Tool katharsisch zu plappern und harte Worte zu nutzen, die dann vom Künstlichen Anstands-Roboter weggestrählt werden.
Zweitens sollten wir auf Social Media nicht vergessen, dass die Nutzer:innen die Beiträge auf ihren Newsfeeds selber stark steuern können.
Und drittens, und das ist das Wichtigste, sollten wir uns nicht übermässig mit unserer Arbeit identifizieren.
Daraus folgt viertens, dass die LinkedIn-Lobhudelei via Kommentare nur angebracht ist, wenn man sich früher über Food-Posts und Ferienfotos auf Facebook gefreut hat. Die anderen sollen doch weiterhin «Schweigen ist Gold» pflegen.
Es ist okay, hin und wieder ein Ferienfoto oder ein Food-Posting zu teilen. Das Leben besteht aus mehr als nur Arbeit. Das Buch «Top five Regrets of the Dying» kann uns daran erinnern, worauf es im Leben wirklich ankommt.
Also, tschüss LinkedIn, hallo Instagram! Es ist Zeit, das Leben in vollen Zügen zu geniessen, ohne uns in der Lobhudelei zu verlieren. 🥰